Selbstverständnis der Initiative Gedenkort Bochum-Bergen

  • Unsere Initiative ist überparteilich und Mitglied im Bochumer Bündnis gegen Rechts.
  • Unser Anliegen ist es, im ehemaligen Zwangsarbeiter-Lager an der Bergener Straße einen würdigen Gedenk-, Erinnerungs- und Lernort zu den NS-Verbrechen am Beispiel der Zwangsarbeit in Bochum zu schaffen und ein
    Zeichen gegen menschenverachtenden Rassismus zu setzen.
  • Wir mischen uns aktiv in die Lokalpolitik ein und fordern Transparenz und Beteiligung der Zivilgesellschaft.
  • Wir bieten Führungen für Interessierte zum Thema Zwangsarbeit im 2. Weltkrieg an und arbeiten mit Jugendgruppen und Schulen zusammen.
  • Wir recherchieren, um lange Zeit Verborgenes und Verdrängtes aufzudecken und machen Öffentlichkeitsarbeit.

Näheres zum Lager Bergener Straße

Aktuelles

Neue Stolperschwelle an der JVA „Krümmede 1933-1945“, 5. Juni 2025

„Mehr als 2.000 politisch verfolgte Menschen inhaftiert, Angehörige des Widerstandes aus Frankreich, Belgien und anderen besetzten Ländern Westeuropas. Mitglieder verbotener Parteien – christliche Regimegegner – Homosexuelle – Zeugen Jehovas. Viele verstarben an den Haftbedingungen oder werden in Hinrichtungsstätten der NS-Justiz getötet.“

Alfons Zimmer, ehemaliger Seelsorger im Bochumer Gefängnis, mit Schüler:innen (v. li.) der Hildegardis-Schule, vom Heinrich-von-Kleist-Gymnasium , der Heinrich-Böll-Gesamtschule und vom Klaus-Steilmann-Berufskolleg (Foto: S. Wycisk)

Die Reden können unter der Webseite vom Bochumer Bündnis gegen Rechts nachgelesen werden: https://www.bochumgegenrechts.de/

Disziplinierung und harte Strafen auch bei Zwangsarbeiter:innen bei Widerstand in Form von Flucht und „Bummmelei“

„Ab September 1942 wurde die Strafverfolgung von Frauen und Männern aus Polen und der Sowjetunion ganz der Polizei überlassen. Art und Ausmaß der Bestrafung konnte von der Gestapo bestimmt werden und reichte von Inhaftierung in Gefängnissen, Arbeitserziehungs- und Konzentrationslagern bis hin zu Folter, Misshandlungen und der Todesstrafe. Ihre Maßnahmen unterlagen keiner gerichtlichen Kontrolle.“ (Quelle: https://www.bildung-ns-zwangsarbeit.de/informieren/arbeit-ausbeutung/disziplinierung-und-gewalt/) Wieviele Zwangsarbeiter:innen aber im Bochumer Polizeigefängnis oder der Justizvollzugsanstalt Bochum in der Krümmede einsaßen, ist aufgrund der vielfachen Vernichtung der Akten nicht bekannt.

Zeitzeug:innen aus der Ukraine in Bochum

Hochzeitsfoto von Iwan Grizenko mit Ehefrau, Schachtjorsk 1952 (Foto: Archiv Waltraud Jachnow)

Iwan Grizenko (*20.04.1926 Kirovo) schreibt im September 2000: „Im Januar brachte man uns in die Stadt Soest in ein (…) Lager. Ich arbeitete im Schacht. Dort zerschlug man mir den Finger. Im Krankenhaus legte man ihn in Gips. Ich arbeitete nicht. Während eines Bombenangriffs lief ich weg. (…) Man fing mich und brachte mich ins Gefängnis nach Münster und von dort ins Gefängnis nach Bochum. Das war ein Gefängnis! Sie bestraften und schlugen uns bei jedem Schritt. Das war im April 1942. Zwei Monate Gefängnis, danach zur Firma ‚Gebrüder Möninghoff‘, Wiemelhauserstr. 128.“ (aus: … und die Erinnerung tragen wir im Herzen, Bochum 2002, S. 173 f.)

Viele Zwangsarbeiter:innen in Haft – 2001 berichten bereits mehrere Personen davon!

WAZ 21.06.2001
Awil Knjasew (*28.11.1920 Kursk) 1999 zu Besuch in Bochum
(Foto: Archiv W. Jachnow; bearbeitet S. Wycisk)

„Mit Bochum wurde ich Ende August 1942 bekannt, als man mich nach der Flucht zwei Wochen ins Gefängnis sperrte.1 Am 8. Juni 1944 wurde ich auf Grund eines Hinweises eines russischen Hilfspolizisten zusammen mit einer Gruppe von Kameraden verhaftet und saß zwei Monate im Gefängnis in Gelsenkirchen. Anschließend kam ich ins KZ Buchenwald, Außenlager Hadmersleben. Meine Nummer war 70380.2

1Ich war dabei, als Awil Knjasew bat, ihn noch einmal zum Bochumer Gefängnis zu führen. Unvergesslich bleibt für mich der Eindruck wie der alte Mann allein die hohe rote Ziegelmauer abschritt und sie mit der Hand berührte, diesmal von außen! W. Jachnow.

2Der Internationale Suchdienst Arolsen bestätigt auf eine Anfrage aus dem Jahr 1993 am 27.04.1998, dass Awil Knjasew ab 04.08.1944 in Buchenwald war, eingeliefert durch die Staatspolizei/Staatspolizeileitstelle Münster, Kategorie “Russischer Zivilarbeiter, Poli. (=Politisch), roter Winkel”, ab 05.09.1944 kam er zum Konzentrationslager Buchenwald/Kommando Hadmersleben.“ (aus: … und die Erinnerung tragen wir im Herzen, Bochum 2002, S. 129)

„Auf den Spuren der Zwangsarbeit im Bochumer Norden“

https://www.komoot.com/de-de/tour/2262221108?ref=itd&share_token=aT3SPvREHn28z4hpC1bJHkFwcJthrkqKmSSfr8xzek34bhhqn6&ref=its-qr

Fotos: Myra Kaiser

Von Donezk in den Pütt nach Bochum

Treffpunkt der Radtour der Initiative Gedenkort Bochum-Bergen war die Skulptur der „Knochen-Karl“ auf dem Gelände der ehemaligen Hauptverwaltung der Zeche Constantin. Nach einem Abstecher zum Prattwinkel – einer Straße in der der Steiger Nölting in den Kriegsjahren wohnte, der nachweislich Zwangsarbeiter gedemütigt hatte – fuhr die Gruppe in Richtung Kaiseraue nach Bochum-Grumme. An dem ehemaligen Standort der „Kaiseraue“ , Kreisverkehr Josephinienstraße/Tenthoffstraße, leitet Heinz Schlinkert von der Geschichtsgruppe Grumme seine Erläuterungen treffend mit der Formulierung ein: „Wie Sie sehen, sehen Sie nichts“. Denn von der ehemaligen Gaststätte, die in den Kriegsjahren ab 1941 als Zwangsarbeiterlager diente, ist nichts mehr zu sehen. Lediglich ein Schild der Geschichtsgruppe erinnert an die Geschichte des einst beliebten Ausfluglokals. Der ehemalige Zwangsarbeiter Michail Petruk hielt seine Erinnerungen an die Zwangsarbeit auf Constantin und das Lager Kaiseraue in Briefen an die „Gesellschaft Bochum-Donezk e.V.“ wie folgt fest. Er schrieb: „Neben dem Gebäude (Kaiseraue) stand eine Baracke, umgeben mit Stacheldraht, in ihr lebten Franzosen. In diesem Lager lebten 240 Menschen – Ostarbeiter – … und 40 Personen aus der Westukraine.“ Alle aus dem Lager arbeiteten im Schacht 8/9 unter schwersten Bedingungen. Und wenn nach 8 Stunden in Hitze und Staub, nur mit Holzpantinen an den Füßen und halbnackt die „Norm nicht erfüllt wurde, musste man bis zur nächsten Schicht bleiben“. Der Hunger war unerträglich und die Nahrung vollkommen unzureichend und von äußerst minderer Qualität.

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Wir dürfen die Lehren aus der Geschichte nicht vergessen

Felix Lipski, Überlebender des Ghettos in Minsk, Bochum 8. Mai 2025

Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa durch die vollständige bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Wir feiern heute 80 Jahre der Befreiung des Deutschlands vom Nazismus, das Ende des größten Blutvergießens der Weltgeschichte, die Rettung der europäischen Juden vor der vollständigen Vernichtung.
Im Zweitem Weltkrieg haben 60 Millionen Menschen ihr Leben verloren, fast die Hälfte davon waren Zivilisten. Jeder Zehnte war Jude.
Am meisten betroffen waren die Sowjetunion und die Rote Armee. Das sowjetische Volk zahlte einen hohen Preis für den Sieg. 27 Millionen Menschen starben, 12 Millionen davon waren Soldaten und Offiziere.

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Erste Führung – 80 Jahre danach … und wieder Krieg in Europa

Am Sonntag, 30. März 2025, fand am ehemaligen Zwangsarbeiterlager für „Ostarbeiter“ der Zeche Constantin die erste diesjährige Führung in Bochum-Bergen durch die Initiative Gedenkort Bochum-Bergen statt.

Die Veranstaltung, an der ca. 20 Interessierte teilnahmen, stand unter dem Motto „80 Jahre danach ….und wieder Krieg in Europa“. Viele der ehemaligen Zwangsarbeiter kamen aus der heutigen Ukraine und Russland, der damaligen Sowjetunion, und haben unter den sehr harten Arbeits- und Lebensbedingungen auf der Krupp-Zeche Vereinigte Constantin der Große während der NS-Zeit gelitten. Sie teilten dieses Schicksal miteinander. Sie lebten im Lager über Monate hinweg eng beieinander und mussten dieselben Demütigungen bei der Knochenarbeit im Bergbau erleiden … und nun stehen sich seit 3 Jahren Russen und Ukrainer im russischen Angriffskrieg unversöhnlich gegenüber.

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurde das Lager noch von einem Bombenangriff erschüttert, bei dem in der Nacht zum 2. Februar 1945 21 italienische Militärinternierte (sogenannten IMIs) und ein sowjetischer Zwangsarbeiter ums Leben kamen. Diese fanden keinen Schutz im Splitterschutzgraben, der auf dem Gelände vorhanden ist und von der Stadt Bochum im letzten Jahr freigelegt wurde, aber (noch?) nicht für interessierte Besuchergruppen, zugänglich ist.

Während des Rundganges fragten einige Teilnehmende nach dem Museum, das die Stadt Bochum im Herbst in der ehemaligen Kommandantur des Lagers plant. Bemängelt wurde, dass die Bauvorhaben und Umsetzungen der Stadt Bochum zu wenig transparent für die Öffentlichkeit seien. Eine Teilnehmerin brachte es auf den Punkt. Es gebe immer weniger Zeitzeug*innen und deshalb sei es um so wichtiger, dass ein solcher Ort als Gedenkort erhalten bleibe, um der interessierten Öffentlichkeit und insbesondere auch Schülergruppen, dieses Zeugnis der NS-Vergangenheit zu zeigen und die Erinnerung an die Opfer wie Nikolai Storoschenko aufrecht zu erhalten. Um hier einen würdigen Gedenkort zu schaffen, müssen auch die Gebäude, die teilweise noch bewohnt sind, saniert und die Außenanlagen gepflegt werden. Es klang durch, dass sich einige Teilnehmende über die zukünftige Nutzung der Gebäude mehr Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Bochum wünschen. So schweben immer noch Vorstellungen einer früheren Machbarkeitsstudie der Nutzung als Künstlerquartiere im Raum.

Am Ende bedankten sich die Interessierten für die informative und anschauliche Veranstaltung. Man ging mit dem Gedanken auseinander, dass Erinnern nicht nur rückwärtsgewandt, sondern auch zukunftsgerichtet im Sinne der Völkerverständigung, wichtig ist. Insbesondere, um dem immer stärkeren Rechtsextremismus in Europa mutig entgegen zu treten und in Frieden miteinander leben zu können.

80 Jahre danach … und wieder herrscht Krieg in Europa! – Führung im sog. Ostarbeiterlager in Bochum-Bergen am Sonntag 30.3. 2025 um 14 Uhr!

Pfosten der ehemaligen Lagereinzäunung? Foto: S. Wycisk, 2025

Bei einem Rundgang auf dem noch bewohnten Gelände werden anhand von anschaulichen Dokumenten die Geschichte der Entstehung des Lagers, die Herkunft und das Leben der hier untergebrachten Zwangsarbeiter sowie die besonders harten Arbeits- und Lebensbedingungen auf der Krupp-Zeche „Constantin der Große“ erfahrbar.
Die Teilnehmenden bekommen einen deutlichen Einblick in das verbrecherische System der Zwangsarbeit während der Zeit des Nationalsozialismus, das von Menschenraub, Ausbeutung und Unterdrückung geprägt war.
Bitte beachten: die Führungen finden nur im Außenbereich statt.

Termin: Sonntag 30.03.2024 , von 14:00 – 15:30 Uhr; Treff: Infotafel, Bergener Str. 116c

Bitte anmelden: vhs@ bochum.de , VHS-Kursnummer: K12009A, Tel.: 0234 910-1555

  • Die Veranstaltung ist entgeltfrei!

Viele Interessierte bei Gedenkfeier am kalten, aber sonnigen 2. Februar 2025!

Fotos: J. Chill
Namenverlesen von der Italienischen Gemeinde
v.re.: Pater John, ital. Konsulatsvertreter, M. Olm

Wir gedenken der 22 getöteten Zwangsarbeiter. Am 2. Februar 1945 kamen sie – 2 Monate vor der Befreiung – durch einen nächtlichen Luftangriff ums Leben!

  • (53)Antonio Malagoli, 24 Jahre, geboren in Solara di Bomporto – Modena, Emilia-Romagna
  • (54) Gino Zanotti, 22 Jahre, geboren in Gatteo – Forlì, Emilia-Romagna
  • (55) Alessandro Passadinibi, 29 Jahre, geboren in Castel S. Pietro – Bologna, Emilia-Romagna
  • (56) Cosimo Martina, 32 Jahre, geboren in Nardò – Lecce, Apulien
  • (57) Carmelo Caramia, 30 Jahre, geboren in Mesagne – Brindisi, Apulien
  • (58) Paolo Maserati, 25 Jahre, in Gazzola – Piacenza, Emilia-Romagna
  • (59) Severino Fabris, 30 Jahre, geboren in Camponogara-Venedig, Venetien
  • (60) Ferdinando Paolinelli, 30 Jahre, geboren in S. Lorenzo in Campo-Pesaro/Urbino, Umbrien
  • (61) Alfonso Pizza, 32 Jahre, geboren in Niscemi – Caltanissetta, Sizilien
  • (62) Giuseppe Sarru, 33 Jahre, geboren in Tortoli – Ogliastra, Sardinien
  • (63) Giuseppe Capraro, 32 Jahre, geboren in Canicattì – Agrigent, Sizilien
  • (64) Pietro Bono, 32 Jahre, geboren in Montelepre – Palermo, Sizilien
  • (65) Wasyl Heijderin, 19 Jahre, geboren in Stano-Dosperdowik, Sowjetunion
  • (66) Domenico Quintiero, 21 Jahre, geboren in Cittadella del Capo – Cosenza, Calabrien
  • (67) Angelo Coviello, 31 Jahre, geboren in Avigliano – Potenza, Basilicata
  • (68) Nunzio Latino, 21 Jahre, geboren in Vittoria – Ragusa, Sizilien
  • (69) Bartolomeo Zaccagnino, 22 Jahre, geboren in Atella – Potenza, Basilicata
    (Stand Dezember 2024: kursive Zahlen sind die Nr. der Sterbeurkunden beim Standesamt Bochum-Gerthe)

Redebeitrag von Alfredo Vernazzani, ANPI-Köln, Verband der Partisanen Italiens in Deutschland, am 2. Februar 2005 und Bericht der Initiative:

Liebe Alle,

Wir sind jetzt schon eine Weile hier, Sie haben von den Umständen des Todes der Menschen erfahren, deren wir heute gedenken, Sie haben ihre Namen gehört, und so sehe ich mich nicht von der Aufgabe belastet, all dies noch einmal zu wiederholen. Stattdessen werde ich Ihnen eine andere Seite der Geschichte erzählen.

Wie Sie vielleicht wissen, bin ich heute hier als Vertreter der ANPI Köln. Die ANPI ist die Vereinigung italienischer Partisanen, die unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, um Mitglieder der italienischen Resistenza gegen den Faschismus und die Nazi-Besatzungstruppen in Italien zu sammeln.

Seitdem hat sich es die Welt tief verändert. Die meisten Partisanen sind gestorben, und die ANPI, die inzwischen verschiedene Sitze in anderen Ländern in Europa und darüber hinaus eröffnet hat, hat ihre Tore für Mitglieder der neuen Generationen geöffnet, Mitglieder, die die Aufgabe weiterführen könnten, den Wert des Antifaschismus und der Erinnerung am Leben zu erhalten, die das Herzstück des aus der Asche des Krieges geborenen Europas bilden.

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Bochumer Beiträge zur “Entschädigung” von Zwangsarbeiter*innen

Mit Waltraud Jachnow, Gesellschaft Bochum-Donezk, im Interview in Bochum-Bergen, 2022

Gernot Schubert vom Unabhängigen Radio Bochum (Urbo) zur Entschädigungsfrage 1999:

Die Rede von Reinhard Wegener, Sozio-kulturelles Zentrum Bhf Langendreer, auf einer Kundgebung im März 2000 auf dem Husemannplatz zur Verantwortung der Firmen und Betriebe, die Zwangsarbeiter*innen im NS ausgebeutet haben, und abschließend Gernot Schubert zum Stand der Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter*innen in der Ukraine im Dezember 2023: