Selbstverständnis der Initiative Gedenkort Bochum-Bergen

  • Unsere Initiative ist überparteilich und Mitglied im Bochumer Bündnis gegen Rechts.
  • Unser Anliegen ist es, im ehemaligen Zwangsarbeiter-Lager an der Bergener Straße einen würdigen Gedenk-, Erinnerungs- und Lernort zu den NS-Verbrechen am Beispiel der Zwangsarbeit in Bochum zu schaffen und ein
    Zeichen gegen menschenverachtenden Rassismus zu setzen.
  • Wir mischen uns aktiv in die Lokalpolitik ein und fordern Transparenz und Beteiligung der Zivilgesellschaft.
  • Wir bieten Führungen für Interessierte zum Thema Zwangsarbeit im 2. Weltkrieg an und arbeiten mit Jugendgruppen und Schulen zusammen.
  • Wir recherchieren, um lange Zeit Verborgenes und Verdrängtes aufzudecken und machen Öffentlichkeitsarbeit.

Näheres zum Lager Bergener Straße

Aktuelles

„Auf den Spuren der Zwangsarbeit im Bochumer Norden“

https://www.komoot.com/de-de/tour/2262221108?ref=itd&share_token=aT3SPvREHn28z4hpC1bJHkFwcJthrkqKmSSfr8xzek34bhhqn6&ref=its-qr

Fotos: Myra Kaiser

Von Donezk in den Pütt nach Bochum

Treffpunkt der Radtour der Initiative Gedenkort Bochum-Bergen war die Skulptur der „Knochen-Karl“ auf dem Gelände der ehemaligen Hauptverwaltung der Zeche Constantin. Nach einem Abstecher zum Prattwinkel – einer Straße in der der Steiger Nölting in den Kriegsjahren wohnte, der nachweislich Zwangsarbeiter gedemütigt hatte – fuhr die Gruppe in Richtung Kaiseraue nach Bochum-Grumme. An dem ehemaligen Standort der „Kaiseraue“ , Kreisverkehr Josephinienstraße/Tenthoffstraße, leitet Heinz Schlinkert von der Geschichtsgruppe Grumme seine Erläuterungen treffend mit der Formulierung ein: „Wie Sie sehen, sehen Sie nichts“. Denn von der ehemaligen Gaststätte, die in den Kriegsjahren ab 1941 als Zwangsarbeiterlager diente, ist nichts mehr zu sehen. Lediglich ein Schild der Geschichtsgruppe erinnert an die Geschichte des einst beliebten Ausfluglokals. Der ehemalige Zwangsarbeiter Michail Petruk hielt seine Erinnerungen an die Zwangsarbeit auf Constantin und das Lager Kaiseraue in Briefen an die „Gesellschaft Bochum-Donezk e.V.“ wie folgt fest. Er schrieb: „Neben dem Gebäude (Kaiseraue) stand eine Baracke, umgeben mit Stacheldraht, in ihr lebten Franzosen. In diesem Lager lebten 240 Menschen – Ostarbeiter – … und 40 Personen aus der Westukraine.“ Alle aus dem Lager arbeiteten im Schacht 8/9 unter schwersten Bedingungen. Und wenn nach 8 Stunden in Hitze und Staub, nur mit Holzpantinen an den Füßen und halbnackt die „Norm nicht erfüllt wurde, musste man bis zur nächsten Schicht bleiben“. Der Hunger war unerträglich und die Nahrung vollkommen unzureichend und von äußerst minderer Qualität.

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Wir dürfen die Lehren aus der Geschichte nicht vergessen

Felix Lipski, Überlebender des Ghettos in Minsk, Bochum 8. Mai 2025

Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa durch die vollständige bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Wir feiern heute 80 Jahre der Befreiung des Deutschlands vom Nazismus, das Ende des größten Blutvergießens der Weltgeschichte, die Rettung der europäischen Juden vor der vollständigen Vernichtung.
Im Zweitem Weltkrieg haben 60 Millionen Menschen ihr Leben verloren, fast die Hälfte davon waren Zivilisten. Jeder Zehnte war Jude.
Am meisten betroffen waren die Sowjetunion und die Rote Armee. Das sowjetische Volk zahlte einen hohen Preis für den Sieg. 27 Millionen Menschen starben, 12 Millionen davon waren Soldaten und Offiziere.

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Erste Führung – 80 Jahre danach … und wieder Krieg in Europa

Am Sonntag, 30. März 2025, fand am ehemaligen Zwangsarbeiterlager für „Ostarbeiter“ der Zeche Constantin die erste diesjährige Führung in Bochum-Bergen durch die Initiative Gedenkort Bochum-Bergen statt.

Die Veranstaltung, an der ca. 20 Interessierte teilnahmen, stand unter dem Motto „80 Jahre danach ….und wieder Krieg in Europa“. Viele der ehemaligen Zwangsarbeiter kamen aus der heutigen Ukraine und Russland, der damaligen Sowjetunion, und haben unter den sehr harten Arbeits- und Lebensbedingungen auf der Krupp-Zeche Vereinigte Constantin der Große während der NS-Zeit gelitten. Sie teilten dieses Schicksal miteinander. Sie lebten im Lager über Monate hinweg eng beieinander und mussten dieselben Demütigungen bei der Knochenarbeit im Bergbau erleiden … und nun stehen sich seit 3 Jahren Russen und Ukrainer im russischen Angriffskrieg unversöhnlich gegenüber.

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurde das Lager noch von einem Bombenangriff erschüttert, bei dem in der Nacht zum 2. Februar 1945 21 italienische Militärinternierte (sogenannten IMIs) und ein sowjetischer Zwangsarbeiter ums Leben kamen. Diese fanden keinen Schutz im Splitterschutzgraben, der auf dem Gelände vorhanden ist und von der Stadt Bochum im letzten Jahr freigelegt wurde, aber (noch?) nicht für interessierte Besuchergruppen, zugänglich ist.

Während des Rundganges fragten einige Teilnehmende nach dem Museum, das die Stadt Bochum im Herbst in der ehemaligen Kommandantur des Lagers plant. Bemängelt wurde, dass die Bauvorhaben und Umsetzungen der Stadt Bochum zu wenig transparent für die Öffentlichkeit seien. Eine Teilnehmerin brachte es auf den Punkt. Es gebe immer weniger Zeitzeug*innen und deshalb sei es um so wichtiger, dass ein solcher Ort als Gedenkort erhalten bleibe, um der interessierten Öffentlichkeit und insbesondere auch Schülergruppen, dieses Zeugnis der NS-Vergangenheit zu zeigen und die Erinnerung an die Opfer wie Nikolai Storoschenko aufrecht zu erhalten. Um hier einen würdigen Gedenkort zu schaffen, müssen auch die Gebäude, die teilweise noch bewohnt sind, saniert und die Außenanlagen gepflegt werden. Es klang durch, dass sich einige Teilnehmende über die zukünftige Nutzung der Gebäude mehr Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Bochum wünschen. So schweben immer noch Vorstellungen einer früheren Machbarkeitsstudie der Nutzung als Künstlerquartiere im Raum.

Am Ende bedankten sich die Interessierten für die informative und anschauliche Veranstaltung. Man ging mit dem Gedanken auseinander, dass Erinnern nicht nur rückwärtsgewandt, sondern auch zukunftsgerichtet im Sinne der Völkerverständigung, wichtig ist. Insbesondere, um dem immer stärkeren Rechtsextremismus in Europa mutig entgegen zu treten und in Frieden miteinander leben zu können.

80 Jahre danach … und wieder herrscht Krieg in Europa! – Führung im sog. Ostarbeiterlager in Bochum-Bergen am Sonntag 30.3. 2025 um 14 Uhr!

Pfosten der ehemaligen Lagereinzäunung? Foto: S. Wycisk, 2025

Bei einem Rundgang auf dem noch bewohnten Gelände werden anhand von anschaulichen Dokumenten die Geschichte der Entstehung des Lagers, die Herkunft und das Leben der hier untergebrachten Zwangsarbeiter sowie die besonders harten Arbeits- und Lebensbedingungen auf der Krupp-Zeche „Constantin der Große“ erfahrbar.
Die Teilnehmenden bekommen einen deutlichen Einblick in das verbrecherische System der Zwangsarbeit während der Zeit des Nationalsozialismus, das von Menschenraub, Ausbeutung und Unterdrückung geprägt war.
Bitte beachten: die Führungen finden nur im Außenbereich statt.

Termin: Sonntag 30.03.2024 , von 14:00 – 15:30 Uhr; Treff: Infotafel, Bergener Str. 116c

Bitte anmelden: vhs@ bochum.de , VHS-Kursnummer: K12009A, Tel.: 0234 910-1555

  • Die Veranstaltung ist entgeltfrei!

Viele Interessierte bei Gedenkfeier am kalten, aber sonnigen 2. Februar 2025!

Fotos: J. Chill
Namenverlesen von der Italienischen Gemeinde
v.re.: Pater John, ital. Konsulatsvertreter, M. Olm

Wir gedenken der 22 getöteten Zwangsarbeiter. Am 2. Februar 1945 kamen sie – 2 Monate vor der Befreiung – durch einen nächtlichen Luftangriff ums Leben!

  • (53)Antonio Malagoli, 24 Jahre, geboren in Solara di Bomporto – Modena, Emilia-Romagna
  • (54) Gino Zanotti, 22 Jahre, geboren in Gatteo – Forlì, Emilia-Romagna
  • (55) Alessandro Passadinibi, 29 Jahre, geboren in Castel S. Pietro – Bologna, Emilia-Romagna
  • (56) Cosimo Martina, 32 Jahre, geboren in Nardò – Lecce, Apulien
  • (57) Carmelo Caramia, 30 Jahre, geboren in Mesagne – Brindisi, Apulien
  • (58) Paolo Maserati, 25 Jahre, in Gazzola – Piacenza, Emilia-Romagna
  • (59) Severino Fabris, 30 Jahre, geboren in Camponogara-Venedig, Venetien
  • (60) Ferdinando Paolinelli, 30 Jahre, geboren in S. Lorenzo in Campo-Pesaro/Urbino, Umbrien
  • (61) Alfonso Pizza, 32 Jahre, geboren in Niscemi – Caltanissetta, Sizilien
  • (62) Giuseppe Sarru, 33 Jahre, geboren in Tortoli – Ogliastra, Sardinien
  • (63) Giuseppe Capraro, 32 Jahre, geboren in Canicattì – Agrigent, Sizilien
  • (64) Pietro Bono, 32 Jahre, geboren in Montelepre – Palermo, Sizilien
  • (65) Wasyl Heijderin, 19 Jahre, geboren in Stano-Dosperdowik, Sowjetunion
  • (66) Domenico Quintiero, 21 Jahre, geboren in Cittadella del Capo – Cosenza, Calabrien
  • (67) Angelo Coviello, 31 Jahre, geboren in Avigliano – Potenza, Basilicata
  • (68) Nunzio Latino, 21 Jahre, geboren in Vittoria – Ragusa, Sizilien
  • (69) Bartolomeo Zaccagnino, 22 Jahre, geboren in Atella – Potenza, Basilicata
    (Stand Dezember 2024: kursive Zahlen sind die Nr. der Sterbeurkunden beim Standesamt Bochum-Gerthe)

Redebeitrag von Alfredo Vernazzani, ANPI-Köln, Verband der Partisanen Italiens in Deutschland, am 2. Februar 2005 und Bericht der Initiative:

Liebe Alle,

Wir sind jetzt schon eine Weile hier, Sie haben von den Umständen des Todes der Menschen erfahren, deren wir heute gedenken, Sie haben ihre Namen gehört, und so sehe ich mich nicht von der Aufgabe belastet, all dies noch einmal zu wiederholen. Stattdessen werde ich Ihnen eine andere Seite der Geschichte erzählen.

Wie Sie vielleicht wissen, bin ich heute hier als Vertreter der ANPI Köln. Die ANPI ist die Vereinigung italienischer Partisanen, die unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, um Mitglieder der italienischen Resistenza gegen den Faschismus und die Nazi-Besatzungstruppen in Italien zu sammeln.

Seitdem hat sich es die Welt tief verändert. Die meisten Partisanen sind gestorben, und die ANPI, die inzwischen verschiedene Sitze in anderen Ländern in Europa und darüber hinaus eröffnet hat, hat ihre Tore für Mitglieder der neuen Generationen geöffnet, Mitglieder, die die Aufgabe weiterführen könnten, den Wert des Antifaschismus und der Erinnerung am Leben zu erhalten, die das Herzstück des aus der Asche des Krieges geborenen Europas bilden.

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Bochumer Beiträge zur “Entschädigung” von Zwangsarbeiter*innen

Mit Waltraud Jachnow, Gesellschaft Bochum-Donezk, im Interview in Bochum-Bergen, 2022

Gernot Schubert vom Unabhängigen Radio Bochum (Urbo) zur Entschädigungsfrage 1999:

Die Rede von Reinhard Wegener, Sozio-kulturelles Zentrum Bhf Langendreer, auf einer Kundgebung im März 2000 auf dem Husemannplatz zur Verantwortung der Firmen und Betriebe, die Zwangsarbeiter*innen im NS ausgebeutet haben, und abschließend Gernot Schubert zum Stand der Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter*innen in der Ukraine im Dezember 2023:

22 Tote durch Bombardierung des Lagers in Bergen – Gedenken am 2.02.25 um 14 Uhr

Vor 80 Jahren kamen 21 italienische Militärinternierte und ein russischer Zwangsarbeiter am 02.02.1945 um 23.00 Uhr bei einem alliierten Luftangriff im Lager Bergen ums Leben. Das Gedenken wird veranstaltet von der Initiative Gedenkort Bochum-Bergen. Es wirken mit der italienische Kulturkreis CICUIT, die italienischeMission und andere. Eingeladen sind u.a. das italienische Konsulat und der Bezirksbürgermeister von Bochum-Nord. Insgesamt arbeiteten ab 1943 20.000 italienische Militärinternierte (IMI) im Ruhrbergbau, allein 1.250 für die Bochum-Herner Krupp-Zeche Constantin der Große. Die Toten vom 02.02.1945 wurden zunächst auf dem Bochumer Hauptfriedhof bestattet, manche später auf einem Frankfurter Ehrenfriedhof. (Bild: Stele auf dem ehemaligen italienischen Gräberfeld am Freigrafendamm, Foto: Bildarchiv der Stadt, Bochum 1951)

Nach dem Gedenken und Grußworten gibt es die Gelegenheit für weitere Informationen und eine kurze Führung. Die Möglichkeit zu Begegnung und Gesprächen besteht beim Kaffeetrinken im nahegelegenen Saal der italienischen Mission (Am Hagenacker 6a, neben der Kirche).
Bitte beachten: Am Gedenkort gibt es keinen öffentlichen Raum und keine Toilette.

Die DGB-Geschichtswerkstatt Herne berichtet eindrücklich vom Schicksal des überlebenden Italieners Rizzieri Rossi

Großes Interesse „80 Jahre danach“ – auch bei der Stadt?

Die öffentliche Veranstaltung der Initiative Gedenkort Bochum-Bergen im Rahmen der VHS Bochum anlässlich des 80-jährigen Bestehens des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers in Bochum-Bergen traf auf großes Interesse. Sowohl Bewohner*innen vom ehemaligen Zwangsarbeiterlager Lothringen in der Gewerkenstr. wie auch der Bergenerstr. standen mit lokalpolitisch Interessierten der Bochumer Zivilgesellschaft unterschiedlicher Altersgruppen im regen Austausch zur Perspektive des künftigen Wohn- und Gedenkortes.

Im Zentrum des einführenden Vortrags stand ein Werkstattbericht der ehrenamtlich forschenden Initiative, der deutlich machte, dass es sich bei dem Ort im Bochumer Norden um einen deutschlandweit seltenen, noch erhaltenen authentischen Ort aus der Nazizeit handelt, der als Relikt der „dunklen Zeit“ des Ruhrbergbaus sowie der Nachkriegsgeschichte eine bedeutende Funktion für die historisch-politische Arbeit auch mit diversen jungen Menschen erfüllen kann. Es ist ein europäischer Gedenkort, an dem Polen, Italiener und v.a. sowjetische Menschen auf dem Raubzug der Wehrmacht nach Süd- und Osteuropa zur härtesten Arbeit untertage im Bergbau der Kruppzeche Gewerkschaft Constantin d. Gr. verschleppt wurden und über Jahre hier ihre Gesundheit oder auch ihr Leben lassen mussten. Die garantierte Energieversorgung für die Waffenschmiede Krupp war dabei essentiell sowohl für die Profitinteressen der Unternehmen wie auch für die Verlängerung des faschistischen Angriffskriegs in Europa!

Wo, wenn nicht hier, können konkrete Strukturen der NS-Zeit deutlich und in ihrem lokalen Wirken begreifbar werden? Autobiographische Lebensgeschichten von Zeitzeugen helfen das Unbegreifliche im Bochumer Norden zu veranschaulichen!

Nach Vorlage eines vorläufigen Abschlussberichts einer Beratergesellschaft zur Projektentwicklung ist nun die Stadt aufgerufen, zügig Geld in die Hand zu nehmen und auf Verwaltungsebene Strukturen zu schaffen, die die Umsetzung eines schlüssigen Gesamtkonzepts für den Wohn- und Gedenkort Bochum-Bergen „80 Jahre danach“ zeitnah ermöglicht.